Waren bisher die neuen Mobilfunkstandards bei Betrachtung aus Anwendersicht jeweils eine schnellere Version des Vorgängers, wird sich beim Standard der kommenden Generation neben einem „Höher, schneller, weiter“ ein grundsätzlicher Paradigmenwechsel einstellen.
Um zu verstehen, was sich an Änderungen einstellt, lohnt sich ein kleiner Exkurs in die Ökosysteme der Digitalisierung an sich. Hier hat sich in den vergangenen Jahrzehnten ein kultureller Wandel vollzogen: Nachdem sich mit der ersten Welle der Virtualisierungstechnologien die Software von der Hardware entfesseln konnte, haben sich in den verschiedensten Formen Cloud-Mechanismen als wichtigster Türöffner für innovative und agile Geschäftsmodelle entwickelt, angetrieben von der breiten Nutzung quelloffener Software (Open Source) und der Einführung neuer Paradigmen wie DevOps. Genau dieses System trägt dazu bei, dass die mobilen Netze in ihrer aktuellen Form immer mehr zum reinen Durchreichen von Daten degradiert werden.
Die Synergien einer engeren Verknüpfung digitaler Ökosysteme mit den Mobilfunknetzen liegen auf der Hand und nicht zuletzt gibt es seitens der Telekommunikationsindustrie seit einigen Jahren die Bestrebung, die Cloud Mechanismen auf die heute noch weitestgehend in dedizierter Technik aufgebaute Telekommunikationsinfrastruktur anzuwenden. Hier seien die Netzfunktionsvirtualisierung, kurz NFV sowie die Software Defined Networks (SDN) erwähnt, die die Vorteile der Cloud (Skalierbarkeit/Verfügbarkeit/Hardware-Unabhängigkeit) auf die Telko Netze übertragen sollen. Mit „Mobile Edge Computing“ soll diese „Telko-Cloud“ aus dem Data Center dichter an den Anwender wandern.
Was das Ganze mit 5G zu tun hat?
Nun, 5G wird - neben einer Verbesserung der technischen Performance - von der Stunde null an ein breites Spektrum unterschiedlichster Anforderungen bedienen, um so ein Enabler für innovative Anwendungen zu sein. Die Anforderungen (jeweils im Vergleich zum aktuellen Stand) lauten:
- 1000x mehr Datenvolumen pro Fläche
- 10-100x schnellere Durchsätze
- 10-100x mehr unterstützte Endgeräte
- 10x Längere Batterie-Lebensdauer
- 5x geringeres E2E Delay
(Quelle: Metis2020.com)
Diese Anforderungen bedienen (nach selber Quelle) folgende generische Nutzungsszenarien:
- “Amazingly fast”: Hohe Datenraten für mobile Nutzer
- “Great service in a crowd”: Breitband-Datenraten selbst bei Großveranstaltungen und großer Teilnehmerdichte
- “Ubiquitous things communicating”: Hier ist der IoT/M2M Markt adressiert
- “Best experience follows you”: Nutzer sollen identische Performance unabhängig vom Aufenthaltsort erhalten
- “Super real-time and reliable connections”: Dieser Punkt richtet sich an kritische Infrastrukturen wie Energieversorger und Industrieanwendungen sowie sensitive Anwendung wie Remote-Operationen
Wie realisiert 5G die Anforderungen?
Um den Performance-Werten gerecht zu werden, wird es einen neuen Funkstandard („New Radio“, kurz NR) geben, der sich allerdings nur im Detail vom Vorgänger LTE unterscheidet. Daneben gibt es eine modulare Core-Netz Architektur, die den Anforderungen der Flexibilität sowie der Vernetzung mit bestehenden Netzen Rechnung trägt. In der Anfangsphase ist es sogar möglich „New Radio“ an ein LTE-Netz anzuschließen.
Wie kann 5G zum Erfolg werden?
Insbesondere die 3G Einführung um die Jahrtausendwende hat gezeigt, dass ein performanter Mobilfunk-Standard alleine noch keinen Boom auslöst (der erst mit der Smartphone Generation kam) und diese Lektion sollte die Telekommunikationsbranche gelernt haben. Ungleich der Situation ab 2000 gibt es allerdings bereits ein funktionierendes Ökosystem digitaler Dienste, so dass hier, wenn alles richtiggemacht wird, nicht lange auf die Nachfrage zu warten ist. Dabei ist eine enge Verzahnung der Player bedeutsam, denn es wird nicht nur ein Konstrukt in der Beziehung Kunde-Dienstanbieter-Netzbetreiber geben; hier werden die Grenzen fließend sein und dies verlangt der bislang eher streng separierten Telko-Welt einiges an Flexibilität ab. Um diese Flexibilität leisten zu können, setzt 5G integral auf eine Virtualisierung der Netze, so dass Betreiber in der Lage sind per „Network Slicing“ auf Knopfdruck komplette virtuelle Netze mit anwendungsspezifischen Eigenschaften bereitzustellen.
Spätestens damit haben dann Cloud Paradigmen in die Telko-Welt Einzug gehalten. Das ist aber noch nicht alles. Um der Komplexität und den erhöhten Netzanforderungen Herr zu werden, bereitet sich die Branche auf eine weitestgehende Automatisierung der Netze vor, unterstützt durch Anwendung von Machine Learning und künstlicher Intelligenz. Die Buzzwords lauten hier „Zero Touch“ oder „Intent Based Networks“
Was tut die Branche?
Schon aus den Anforderungen an 5G wird klar, dass die Nutzung weit über den Consumer-Markt hinausgeht. In Deutschland gibt es hierzu mehrere Anstrengungen, früh in der 5G Reifekurve Anwendungsszenarien zu entwickeln und zu validieren.
Exemplarisch sei hier zum einen das „Digitale Testfeld Autobahn A9“ genannt, bei dem entlang der Autobahn A9 gefördert vom Verkehrsministerium Netzbetreiber, Ausrüster, Automotive- und Logistikindustrie verschiedenste Anwendungsszenarien (u.a. Platooning, vernetztes Fahren) und Netzkonzepte (u.a. Mobile Edge Computing) testen.
Ein weiteres Beispiel von vielen ist das „5G MoNArch“ Projekt im Rahmen des 5G PPP, bei dem im Hamburger Hafen ein „Sea Port Use Case“ aufgebaut wird, um u.a. Cloud-fähige Netzarchitekturen getestet werden.
Daneben ist auch die Forschung in Deutschland aktiv im 5G Umfeld, exemplarisch sei das 5G Lab Germany an der TU Dresden erwähnt, das mit maßgeblicher Unterstützung seitens Netzbetreibern und Ausrüstern diverse beeindruckende Demos geliefert hat.
Unsere Einschätzung
Die Zeichen für 5G stehen nicht schlecht: Der technologische Sprung scheint machbar, die Kerntechnologien sind vorhanden und bewährt. Es wird spannend zu beobachten sein, welche der Anwendungsszenarien sich in den kommenden Jahren im Markt behaupten können. Wie immer gilt: Eine Technologie wie 5G ist kein Selbstzweck, sondern ermöglicht im besten Falle innovative Geschäftsmodelle. Hier allerdings lauert die größte Herausforderung für die Branche: Die Öffnung der Netzbetreiber weg von statischen Kommunikationsanbietern hin zu agilen Playern, deren Portfolio für Anwendungen ähnlich einfach erschließbar sind wie die Services der Cloud-Anbieter vom Schlage Amazons, Microsoft Azure oder Google.