
#2 Zielnetzplanung
Das KI-optimierte Stadtwerk: Potenziale und Umsetzungspfade für den Einsatz von KI im Kundenservice von Stadtwerken und EVU
Teil 2
In einer gemeinsamen Studie untersuchen m3 und das Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik IPK, wie Stadtwerke und EVU KI-Lösungen entlang ihrer Wertschöpfungsprozesse gewinnbringend einsetzen können. Im zweiten Teil der Artikelserie werden mögliche Einsatzfelder, Potenziale und Grenzen von KI im Rahmen der Zielnetzplanung beschrieben.
Im Zuge der Energiewende ist die Planung und der Ausbau der Netzinfrastruktur zu einer strategisch entscheidenden Disziplin geworden. Die zunehmende Zahl dezentraler Erzeugungsanlagen, der Wandel von KonsumentInnen zu ProsumentInnen sowie steigende Anforderungen an Netzstabilität und -sicherheit erhöhen die Komplexität erheblich. Fundierte und zukunftssichere Entscheidungen in der Zielnetzplanung erfordern daher nicht nur die Berücksichtigung aktueller Lastprofile, sondern auch belastbare Prognosen zur zukünftigen Entwicklung des Energiebedarfs. Ergänzend zu historischen Lastdaten liefern Wetterinformationen, Marktprognosen und weitere externe Datenquellen wichtige Impulse für die Netzplanung von morgen.
Die Verarbeitung und Analyse großer Datenmengen aus unterschiedlichen Quellen stellt Netzplaner vor enorme Herausforderungen. Aus einer Vielzahl verfügbarer Daten müssen die relevanten Informationen extrahiert werden, um fundierte Entscheidungen treffen zu können. KI verspricht, diese Schritte zunehmend zu vereinfachen und beispielsweise durch präzisere Prognosen zu unterstützen. In der langfristigen Planung, die auf historischen und Echtzeitdaten basiert, wird KI eingesetzt, um Muster zu erkennen und so bessere Vorhersagen in komplexen Situationen zu treffen.
KI-gestützte Netzplanung: Entscheidungsunterstützung statt Automatisierung
Die Zielnetzplanung bleibt ein hochkomplexer, wissensintensiver Prozess, der auch in Zukunft nicht vollständig automatisierbar sein wird. Sie erfordert fundiertes Expertenwissen, individuelle Annahmen über die zukünftige Netz- und Verbrauchsentwicklung sowie manuelle Eingriffe.
Nach Einschätzung der im Rahmen der Studie befragten ExpertInnen liegt der größte Hebel derzeit in der datenbasierten Entscheidungsunterstützung. Erfolgreiche KI-Implementierungen setzen daher auf die enge Zusammenarbeit von Mensch und Maschine, um Effizienzsteigerungen und Qualitätsgewinne zu realisieren. Ein schrittweises Vorgehen hat sich als zielführend erwiesen: Statt disruptiver Veränderungen sollten gezielt erste Projekte mit hohem praktischem Nutzen umgesetzt werden, um Vertrauen in KI-Lösungen aufzubauen und die Akzeptanz bei Anwendern zu fördern.
Im Rahmen der Studie wurden zahlreiche Aktivitäten der Netzplanung auf ihr KI-Potenzial untersucht. Ein Auszug daraus wird in folgender Tabelle dargestellt:
TÄTIGKEIT
IST-SITUATION AUFNEHMEN
BESCHREIBUNG
Erfassung des aktuellen Zustands des Netzes, einschließlich bestehender Kapazitäten, Engpässe und Schwachstellen.
EINSCHÄTZUNG ZUR KI-UNTERSTÜTZUNG
mittel
BEDARFSERMITTLUNG AUFSTELLEN
Ermittlung des zukünftigen Bedarfs an elektrischer Energie, einschließlich Lastprognosen und erneuerbaren Energieprognosen.
hoch
MAßNAHMEN DEFINIEREN
Festlegung von Maßnahmen zur Erreichung der Planungsziele zur Verbesserung der Netzzuverlässigkeit oder zur Reduzierung von Verlusten.
gering
NETZVARIANTEN ERSTELLEN
Entwicklung mehrerer Varianten des Zielnetzes auf Basis unterschiedlicher Szenarien und Annahmen.
gering
TECHNISCHE BEURTEILUNG
Berechnung von Lastfluss, Kurzschluss und (n-1)-Sicherheit.
gering
BETRIEBSWIRTSCHAFTLICHE BEURTEILUNG
Bewertung von Investitionskosten und Netzkosten sowie Zuverlässigkeitskennzahlen.
mittel
VERGLEICH UND AUSWAHL
Vergleich der Netzvarianten und Auswahl der besten Option.
gering
ÜBERARBEITEN VON NETZVARIANTEN
Iterative Anpassung der Varianten basierend auf Verbesserungspotenzial.
gering
Digitale Zwillinge als dynamische Abbilder der Wirklichkeit
Ein Ansatz, der bereits heute in der Netzplanung verfolgt wird, ist der Einsatz von digitalen Zwillingen – also digitalen Abbildern physischer Assets. Sie integrieren alle sowohl bereits existierende als auch im künftigen Betrieb anfallende Daten über den gesamten Lebenszyklus hinweg und stellen die Beziehungen sowie logischen Verknüpfungen der einzelnen Elemente dar.
Dadurch ermöglichen Digitale Zwillinge etwa die Live-Überwachung von Übertragungs- und Verteilnetzen (In-situ-Monitoring). Betriebsdaten können in Echtzeit ausgewertet werden, sodass kritische Betriebszustände, beispielsweise Temperaturanstiege, frühzeitig erkannt und Gegenmaßnahmen eingeleitet werden können. Auch Simulationen auf Basis aktueller Zustandsdaten unterstützen eine proaktive Netzsteuerung.
Erweiterte Prognosemöglichkeiten durch KI-basierte Digitale Zwillinge
Durch die Anreicherung digitaler Zwillinge mit KI-basierten Analysefunktionen lassen sich diese Systeme deutlich erweitern: Prognosen, Engpassanalysen sowie vorausschauende Instandhaltungs- und Investitionsstrategien werden möglich – mit dem Ziel, Kosten zu senken und die Netzeffizienz zu steigern.
Allerdings bleibt eine vollständige Digitalisierung heutiger Netze kurzfristig unrealistisch. Stattdessen liegt der Fokus auf der Entwicklung gezielter, KI-basierter Tools, die einzelne Prozesse vereinfachen und Fachkräfte gezielt entlasten. Ausgangspunkt ist dabei stets die individuelle Prozesslandschaft des jeweiligen Unternehmens.
Herausforderungen und Perspektiven des KI-Einsatzes in der Netzplanung
Zukünftige Entwicklungen - wie die Verbreitung der Elektromobilität, Smart Grids oder Prosuming-Modelle - erhöhen die Anforderungen an die Netze und machen eine präzisere und agilere Netzplanung unabdingbar. Eine hohe Datenqualität und die Verfügbarkeit aktueller Informationen sind dabei wesentliche Erfolgsfaktoren für KI-gestützte Automatisierungsinitiativen.
Entscheidend für den Erfolg ist ein schrittweises, iteratives Vorgehen, bei dem die Mitarbeitenden den praktischen Nutzen von KI-Assistenzsystemen unmittelbar erfahren. KI soll menschliche Expertise nicht ersetzen, sondern gezielt ergänzen und neue Potenziale erschließen. Gleichzeitig gilt es, Datenschutzvorgaben und regulatorische Anforderungen strikt einzuhalten, um die Akzeptanz und das Vertrauen in KI-Lösungen in kritischen Infrastrukturen nachhaltig zu sichern.
Fazit
Angesichts der Herausforderungen der Energiewende bietet der Einsatz von KI in der Zielnetzplanung erhebliche Potenziale zur Steigerung von Effizienz und Planungssicherheit. Die im Rahmen der Studie befragten ExpertInnen sehen KI als zentralen Baustein für die zukünftige Netzgestaltung. Erste Anwendungen liefern vielversprechende Ergebnisse. Der nächste Schritt liegt in der Skalierung und der breiteren Integration dieser Technologien in den regulären Planungs- und Betriebsalltag.
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