
Erfolgreiche Cloud Transformation
Chancen und Potenziale für Energieversorgungsunternehmen
Wie viele andere Industrien auch, müssen die Energieversorgungsunternehmen (EVU) sich mit der Frage beschäftigen, welche Potenziale die Verlagerung von IT-Systemen in die Cloud ihnen bietet. Grundsätzlich sind fast alle digitalen Infrastrukturen und Lösungen der EVU dafür geeignet, als Cloud-Anwendungen betrieben zu werden. Ausnahmen bestehen lediglich bei sehr speziellen, zur kritischen Infrastruktur zählenden Systemen. Für die Migration gibt es gute Gründe – sie eröffnet Chancen für mehr Geschwindigkeit, Qualität und Agilität, löst zahlreiche Kapazitätsengpässe und reduziert Kosten- und Sicherheitsrisiken. Doch die Cloud Transformation ist kein Selbstläufer: Sie erfordert eine umfassende und zukunftsorientierte Planung und konsequente Umsetzung.
Engpässe vermeiden: Höhere Geschwindigkeit und geringere Personalintensität
Weiterentwicklung und Betrieb (DevOps) von zuverlässigen, performanten und allen regulatorischen und technischen Anforderungen genügenden IT-Systemen im eigenen Haus werden immer aufwändiger. Den meisten Energieversorgungsunternehmen fehlen sowohl die Fachkräfte als auch Ressourcen und Flexibilität, um auf marktseitige Anforderungen schnell reagieren zu können. Die Verlagerung von IT-Systemen in die Cloud löst dieses Problem: Der Aufwand für das Einspielen von Updates wird ebenso wie die Beschaffung, Wartung und Pflege von Software und Hardware weitgehend an den Cloud-Service-AnbieterInnen ausgelagert. So können neue Anforderungen schnell, effizient und in hoher Qualität umgesetzt werden.
Ein aktuelles Beispiel dafür bieten die neuen Regeln für die Marktkommunikation beim Wechsel des Energieversorgers. Wenn KundInnen ihren Energielieferanten wechseln möchten, muss der Netzbetreiber eine Reihe zeitaufwändiger Prozesse abwickeln: Die KundInnen müssen abgemeldet werden, die Zählernummern und Zählerstände erfasst und jeweils dem alten und dem neuen Vertrieb mit Abrechnungs- und Kundendaten zur Verfügung gestellt werden. Die für Transaktionen dieser Art notwendigen Datenformate und Patches werden regelmäßig erneuert und müssen bei jedem Unternehmen neu eingespielt werden. Liegt die Software hingegen bei CloudanbieterInnen, übernehmen diese die Updates, und sorgen dafür, dass die Daten für alle Beteiligten sofort verfügbar sind. So werden unternehmensübergreifende IT-Prozesse schneller und robuster und können sicher und kosteneffizient an gesetzliche und regulatorische Änderungen angepasst werden.
Mit dem Markt atmen: Niedrige Schwellen für Testing, Skalierung und Konsolidierung
Klassische „on-premise“ IT-Projekte sind typischerweise mit hohen Risiken verbunden. So können Tests meist nur aufwändig, lediglich auf Basis von Testdaten und auf wenige Standorte oder Abteilungen beschränkt, durchgeführt werden. Gleichzeitig erfordern sie komplexe und risikoreiche Investitionsentscheidungen, die zumindest mittelfristig irreversibel sind.
Die Nutzung von Cloud Lösungen ändert diese Situation in radikaler Weise. Zum einen können Anwendungen schnell mit Echtdaten und einer beliebigen Anzahl an Usern getestet werden. Zum anderen wird die Tragweite der Investitionsentscheidungen deutlich reduziert: Passt die Anwendung nicht zum Unternehmen, kann das Probe-Abonnement einfach gekündigt werden.
Ein weiterer Faktor ist die Fähigkeit der Cloud-Lösungen, sich unkompliziert an Marktveränderungen anzupassen, die zunehmend dynamisch und schwer prognostizierbar sind. Das betrifft einerseits die äußerst einfache Skalierbarkeit selbst spezieller Lösungen auf eine praktisch unbegrenzte Anzahl von AnwenderInnen – aber auch die Möglichkeit, die Anzahl bestehender Lizenzen schnell und unkompliziert zu reduzieren. Und andererseits verhindern Cloud-Lösungen, dass die IT zu einem erheblichen Kosten- und Risikofaktor bei Unternehmenszusammenschlüssen wird – was in den vergangenen Jahren vielfach zu enormen Kostenbelastungen führte und den strategischen Erfolg von Integrationen gefährdete.
Dank Cloud lassen sich die mit der IT-Beschaffung verbundenen irreversiblen Kosten (sunk costs) fast gänzlich vermeiden – die Abonnements für die nicht mehr benötigten Systeme oder überflüssige Lizenzen können unkompliziert und mit einer überschaubaren Frist gekündigt werden. Auch die enorm aufwändige und risikobehaftete Konsolidierung und Integration der Datenbestände wird erheblich vereinfacht, da sie durch standardisierte Schnittstellen und Prozesse der Cloud-AnbieterInnen erfolgen kann.
Möglichmacher der Transformation: Die Rolle der IT im Cloud-Zeitalter
Was bedeutet die Cloud-Transformation im Hinblick auf die Rolle der IT-Abteilung eines Energieversorgungsunternehmens? Eine Schlussfolgerung ist naheliegend: Die IT muss sich nicht mehr schwerpunktmäßig mit operativen Aufgaben im Hinblick auf Beschaffung, Wartung, Weiterentwicklung und Verknüpfung von Hard- und Software, die Verwaltung komplexer Datenkonstrukte, oder die Einrichtung von Arbeitsplätzen befassen.
Werden diese regelbasierten Tätigkeiten in die Cloud verlagert, gewinnt die IT wertvolle, produktive Zeit. Und diese gilt es dafür einzusetzen, die Potenziale der Cloud Transformation voll auszuschöpfen. Damit verlagert sich der Fokus auf die Optimierung von Datenstrukturen und Datenqualität, die Analyse und laufende Verbesserung von Prozessen, gezielte Programmierung, die Lösung von Problemen, die bei Migrationen entstehen, die Entwicklung neuer digitaler Services in Zusammenarbeit mit den Fachbereichen, oder die Sicherstellung der Vereinbarkeit von Cloud-Applikationen mit regulatorischen Anforderungen.
Ohne Frage entsteht mit diesen Veränderungen in der IT auch der Bedarf an neuen Fähigkeiten. Das betrifft sowohl die fachlichen Anforderungen als auch eine tiefere Kenntnis der Geschäftsprozesse in der Organisation, sowie ausgeprägte Kommunikationskompetenz und eine multidisziplinäre, bereichsübergreifende Perspektive auf die strategischen Ziele und Herausforderungen des Unternehmens.
Sie sind längst in der Cloud: Strategien entwickeln und Initiative übernehmen
Auch wenn die Veränderungen auf dem Weg in die Cloud schwerwiegend sind – die wenigsten EVUs betreten hier eine Terra Incognita. Denn die meisten Unternehmen nutzen bereits eine Vielzahl von Cloud-Anwendungen. Das geschieht z.B. durch den Einsatz von Microsoft 365, Power-Cloud, E-Pilots, Salesforce oder anderen Lösungen. Allerdings setzen diese Anwendungsfälle häufig nicht auf eine bewusst definierte Cloud-Strategie auf. Meist sind sie das Ergebnis alltäglicher Einzelentscheidungen, oder erfolgen auf Druck der HerstellerInnen, die bestimmte Funktionalitäten nicht mehr on premise zur Verfügung stellen, oder Lösungen generell nur noch über die Cloud vermarkten.
„Halb zog sie ihn, halb sank er hin“ ist jedoch kein empfehlenswerter Ansatz für die Cloud Transformation: Deshalb gilt es zunächst ein klares Zukunftsbild für die Rolle und den Wertbeitrag digitaler Systeme zu entwickeln und die unterschiedlichen Dimensionen einer Cloud Strategie zu erarbeiten.

Dimensionen einer Cloud-Strategie
Darüber hinaus sollte die Strategie auf ein solides Fundament aufsetzen, um nachhaltigen Erfolg und schnellen ROI zu erreichen und potenzielle Risiken und Mehrkosten zu vermeiden. Dabei stehen insbesondere folgende Aspekte im Vordergrund:
- Rechtliche Faktoren: Bewertung der möglichen Cloud-Modelle in Abhängigkeit der Datenschutzbestimmungen und weiterer Rechtsnormen;
- Finanzielle Faktoren: Vermeidung von Doppelkosten durch Parallelbetrieb von Rechenzentren und Cloud, geringe Cloud-Skaleneffekte, oder aus steuerlichen Gesichtspunkten ungünstig gewählten Migrationszeitpunkt;
- Organisatorische Faktoren: Nutzung der Vorteile schneller Pilotierung und eine frühzeitige Schulung und Einbindung der NutzerInnen;
- Technische Faktoren: Definition klaren Vorgaben für die Cloud Betriebsmodelle, um Redundanzen und Sonderlösungen zu vermeiden.
Katalysator des Wandels: Cloud Transformation als Fitnessprogramm für die Organisation
Die Beschäftigung mit der Cloud Transformation führt unweigerlich dazu, dass sich der Blick auch auf andere technologische, prozessuale und organisatorische Themenstellungen richtet. So können beispielsweise bislang nicht integrierte Systeme eingebunden, Redundanzen und veraltete Lösungen erkannt, oder überflüssige Schnittstellen und Lizenzen reduziert werden. Gleichzeitig werden prozessuale Schwachpunkte ebenso erkennbar, wie fehlende Kompetenzen und Ressourcen, oder suboptimale Strukturen in der Zusammenarbeit zwischen Geschäftsbereichen.
Und nicht zuletzt hat die Nutzung der Cloud einen unmittelbaren und signifikanten Effekt auf die Nachhaltigkeitsziele der Organisation: Durch die effiziente und optimierte Nutzung und Reduktion der Hardware unterstützt der Wechsel in die Cloud die Ressourceneffizienz. Hinzu kommt, dass mit dem Outsourcing der Infrastruktur an einen Cloud-Provider de facto auch die Aufgabe, diese Struktur möglichst ökologisch zu betreiben, verlagert wird. Diese AnbieterInnen, insbesondere die global agierenden Hyperscaler, sind sich zunehmen der damit einhergehenden Verantwortung und Kundenerwartung bewusst. Dabei stehen ihnen aufgrund der Skaleneffekte vielfältige Optimierungshebel zur Verfügung, die sich im Regelfall weder für Stadtwerke, noch für große EVUs wirtschaftlich und strukturell darstellen lassen. Und schließlich erleichtert der Einsatz der Cloud die Implementierung flexibler, dezentraler Arbeitsmodelle sowie eine hohe Transparenz über die Geschäfts- und Kommunikationsprozesse.
Die Cloud Transformation wird damit zu einem Fitnessprogramm für die gesamte Organisation und zu einem wichtigen Hebel auf dem Weg zu mehr Effizienz, Resilienz und Zukunftsfähigkeit.