KI hat die Netze erreicht – und jetzt?
Wo stehen die Verteilnetzbetreiber heute
Künstliche Intelligenz (KI) ist in der Branche angekommen. Doch die meisten Verteilnetzbetreiber (VNB) stehen noch am Anfang, wenn es darum geht, aus ersten Pilotprojekten konkrete Anwendungen zu machen. Die Diskussion dreht sich längst nicht mehr um das „ob“, sondern um das „wie“: Wie können KI-Potenziale strategisch genutzt, Prozesse verbessert und Mitarbeitende eingebunden werden?
In einer Fachrunde mit Führungskräften aus verschiedenen VNBs wurde deutlich, dass die Branche unterschiedlich weit ist. Einige sammeln bereits erste belastbare Erfahrungen, andere testen noch konzeptionell. Die entscheidende Frage lautet: Wie gelingt der Sprung vom Diskutieren ins Machen, vom Pilotprojekt zur produktiven Umsetzung?
Wo stehen die Verteilnetzbetreiber heute
Fast alle VNB beschäftigen sich mit KI. Erste Anwendungen gibt es bereits: Chatbots im Kundenservice, KI-gestützte Netzplanung oder Automatisierung von Routineaufgaben. Der Reifegrad ist jedoch sehr unterschiedlich. Dabei prägen derzeit zwei Entwicklungen die Branche:
- Steigender Aufwand:
Die Energie- und Wärmewende sorgt für mehr Komplexität im Stromnetzausbau, denn Ausbau und Wartung des Netzes werden leistungsintensiver, und es wird viel mehr Bauprojekte geben. „Damit einher geht ein wachsender Ressourcenbedarf für Planung und Steuerung von Baudienstleistungen, denn die VNB werden nicht mehr planend-handwerkliche Mitarbeitende bekommen“, so ein Teilnehmer der Diskussionsrunde.
- Verschiebung der Aufgabenbereiche:
KI übernimmt zunehmend konzeptionelle und unterstützende Tätigkeiten, während Mitarbeitende sich stärker auf strategische, steuernde und beratende Rollen konzentrieren müssen. KI ersetzt die Menschen nicht, sondern verändert die Art und Weise, wie und woran sie arbeiten. Allein in den technischen Kernprozessen wird mit einer Reduktion der Ressourcenbedarfe von ca. 40 Prozent gerechnet. Es wird darum gehen, durch den gezielten Einsatz von KI die Folgen des demografischen Wandels in den technischen Funktionen abzumindern und die Mitarbeitenden für ihre neuen Aufgaben zu befähigen.
Die sechs Kernherausforderungen aus der Praxis
Aus den Diskussionen in der Fachrunde lassen sich sechs zentrale Punkte ableiten, die derzeit die Branche beschäftigen:
- Dringlichkeit und Chance
„Die Frage ist nicht mehr, ob wir diese Potenziale nutzen, sondern wie strategisch und schnell wir sie erschließen“, so ein Teilnehmer. Die Transformation ist bereits im Gange. Frühe Erfahrungen erhöhen die Erfolgschancen, und wer jetzt systematisch startet, kann den größten Nutzen erzielen.
- Menschzentrierte Transformation
KI ist kein reines IT-Projekt, sondern ein kultureller Wandel. Der Erfolg hängt wird davon abhängen, die Belegschaft bestmöglich mitzunehmen, klare Zielbilder zu vermitteln und Strukturen anzupassen. Ohne Führung und Kommunikation bleibt KI eine technische Spielerei.
- Reskilling und Rollenwandel
Die Arbeit verschiebt sich weg von Routineaufgaben hin zu Orchestrierung, Steuerung und Beratung. „Was tun die Menschen, deren Routinetätigkeiten KI übernimmt – und wie befähigen wir sie für neue Rollen?“ lautet eine Kernfrage. Neue Fähigkeiten sind gefragt: Prozessverständnis, strategische Planung und die Kompetenz, KI-gestützte Prozesse zu gestalten.
- Neue Führung und Zusammenarbeit
Zukünftige Teams bestehen aus Menschen und KI-Agenten. „Die Fähigkeit, KI wie einen Mitarbeiter zu führen und technologische Systeme aktiv zu gestalten, wird zur Schlüsselkompetenz“, so ein Diskussionsbeitrag. HR und IT müssen zukünftig sehr viel enger als heute zusammenarbeiten, um Rollen, Prozesse und Führungskompetenzen weiterzuentwickeln.
- Regulatorik und Governance
Technische Möglichkeiten sind vorhanden, doch die Hürden liegen oft bei Datenschutz, internen Regelwerken und einer gezielten Einbindung des Betriebsrates. Es gilt, KI regelkonform und zugleich handlungsfähig einzusetzen. Die Diskussionsteilnehmenden betonten, dass Skepsis zwar gesund ist, aber überwunden werden muss, damit Compliance nicht aus falscher Vorsicht alles bremst, bis andere vorgemacht haben, wie es funktioniert.
- Realismus und Praxisbezug
Historische Automatisierungswellen zeigen: Anfangs herrscht Unsicherheit, langfristig steigern neue Technologien aber Effizienz und Qualität. KI wird ähnlich wirken. Sie verändert Prozesse und Rollen, ohne Menschen zu ersetzen.
Vom Diskutieren zum Machen: Handlungsempfehlungen
Die Diskussion mit den VNB macht klar: Jetzt gilt es, aus Pilotprojekten und Ideen konkrete Schritte abzuleiten. Fünf zentrale Empfehlungen lassen sich ableiten:
- Strategisch ansetzen: Definieren Sie klare Ziele für KI und entwickeln Sie eine Roadmap. Definieren und priorisieren Sie Use Cases, testen Sie Piloten und integrieren Sie KI in die Unternehmensstrategie.
- Organisatorisch verankern: Benennen Sie Verantwortliche oder etablieren Sie ein eigenes KI-Team, das den Überblick behält, Use Cases entwickelt und bewertet sowie Synergien nutzt. KI funktioniert nur, wenn jemand die Orchestrierung und die Verantwortung übernimmt und dafür befähigt wird.
- Mitarbeitende befähigen: Schulen Sie Ihr Team in der praktischen Nutzung von KI. Starten Sie mit kleinen, greifbaren Projekten, die Vertrauen schaffen und Mitarbeitende entlasten.
- Rahmenbedingungen schaffen: Beziehen Sie Datenschutz, Betriebsrat und IT-Sicherheit frühzeitig ein. Etablieren Sie klare interne „Spielregeln“ und Prozesse, damit Projekte nicht in internen Genehmigungsloops steckenbleiben.
- Kooperationen nutzen: Arbeiten Sie mit Startups, Hochschulen und anderen VNB zusammen. So profitieren Sie von Best Practices, ohne alles neu erfinden zu müssen.
Nur durch einen integrierten, zukunftsorientierten Ansatz entsteht Schritt für Schritt eine Energiehandelsorganisation, die nicht mehr von Einzelanforderungen getrieben ist, sondern über die Fähigkeiten verfügt, auch auf künftige Marktveränderungen, Regulierungen oder Geschäftsmodelle souverän zu reagieren.
Fazit: Jetzt handeln – KI aktiv gestalten
KI ist in den Netzen angekommen. Doch ihr Wert entfaltet sich erst, wenn sie strategisch umgesetzt wird. Wer jetzt die organisatorischen, kulturellen und technischen Grundlagen legt, gestaltet die Transformation aktiv mit und verschafft sich Wettbewerbsvorteile. Die Botschaft ist klar: Nicht abwarten, sondern handeln. Mit klaren Strukturen, befähigten Mitarbeitenden und einem strategischen Plan. Wer diesen Weg geht, schafft Effizienz, Entlastung und echte Beratungs- und Steuerungskompetenz im Netzbetrieb.
Kontakt
Wir begleiten VNB auf diesem Weg – von der Potenzialanalyse bis zum Pilotprojekt. Sprechen Sie uns gerne an.