Der Anteil der Haushalte, die Strom oder Wärme selbst erzeugen, wächst rapide. EVU sollten die Chance nutzen, ihre Geschäftsmodelle auf diesen Markt zu erweitern. Über mehrere Ansatzpunkte ist eine positive Bilanz erzielbar, sowohl im Sinne wirtschaftlichen Wachstums als auch für den Klimaschutz. Doch nur wer mit den richtigen Technologien den „Sprung hinter den Zähler“ des Kunden schafft, behauptet sich im Wettbewerb.
Mit der Dekarbonisierung gewinnt ein neuer Verbrauchertypus für Energieversorgungsunternehmen (EVU) immer stärker an Bedeutung: „Prosumer“, die ein bestimmtes Gut selbst erzeugen (produce) und verbrauchen (consume), in diesem Fall Ökostrom oder Wärme. Schließlich steht dafür mittlerweile ein großes, leistungsfähiges Portfolio an Solaranlagen, Wärmepumpen, Speichern und Wallboxen zu Verfügung. Je mehr dieser Technologien in den eigenen vier Wänden zum Einsatz kommen, desto stärker lösen sich die Grenzen zwischen Stromerzeugern und -verbrauchern auf. Letztlich steigt dadurch der Prosumer-Anteil im Netzgebiet signifikant, zumal nun auch die Besitzer von Post-EEG-Anlagen hier hinzukommen – und all diese Akteure erwarten jetzt Serviceleistungen und attraktive Lösungsangebote.
Diese Erwartungshaltung bedienen bereits System-, Anlagen- und Hardwarehersteller, die im Markt gezielt gegen Versorger den Wettbewerb verschärfen. Sie reagieren damit auf den Kundenwunsch nach Versorgungslösungen, die sowohl die Haushaltskasse schonen als auch einen Beitrag zur Reduzierung von Kohlenstoffdioxidemissionen leisten. Für zusätzliche Dynamik sorgen Entscheidungen aus dem politischen Kontext, etwa bei der Förderung des beschleunigten Ausbaus von Photovoltaik (PV), der KFW-Förderung für Wallboxen oder der Bafa-Förderung für die Anschaffung von Wärmepumpen. Ebenfalls ist zu berücksichtigen: „Daseinsvorsorge fängt mit der Energie des Kunden an“, worauf Roland Jans, Geschäftsführer der Stadtwerke Mühlacker verweist.
Ein Resultat dieser Marktentwicklung ist die zunehmende Komplexität von Energiesystemen, etwas mehr als jede zweite PV-Neuinstallation wird z.B. bereits heute mit einem Speichermodul verkauft (1). Diese Komplexität sollten EVUs als Chance betrachten, aus der sich neue Geschäftspotenziale ergeben. Doch wie können EVU in den Prosumer-Markt eintreten und sich dort erfolgreich und lukrativ positionieren?
Profite im neuen Kundenmarkt erzielen
Das zentrale Element, um Prosumer als Kunden zu gewinnen oder zu binden, ist ein zeitgemäßes Angebot von Hardwarekomponenten wie PV, Speicher, Wallbox, Wärmepumpe. Diese sollten dem Endkunden in Kombination mit einem Energiemanagementsystem (EMS) zur Pacht oder zum Kauf angeboten werden (siehe Kasten). Neben der Hardware gibt es aber auch die Option für EVU, über den Verkauf von Serviceleistungen, z.B. zur Remote-Überwachung, Wartung oder Entstörung der Anlagen Gewinne zu erzielen. Des Weiteren sollten sich EVU langfristige Kundenzugänge erschließen, insb. bei Pachtmodellen, und ihre Kundenbeziehungen gegen Angriffe von Wettbewerbern absichern.
Mit dem Angebot intelligenter Energiesysteme in Kombination mit erweiterten Services können EVU allerdings nicht nur die unterschiedlichen Prosumer-Bedürfnisse bedienen. Sie können darüber ebenso bei Kunden Fuß fassen, die noch zur eigenen Energieerzeugung wechseln wollen. In beiden Fällen schafft das EVU damit den „Sprung hinter den Zähler“ hin zur Informationszentrale im Prosumer-Haushalt. Das eröffnet aus dem Produkt heraus den Weg zu mehreren Geschäftsfeldern, über die sich schwindende Margen im Commodity Geschäft kompensieren lassen. Beispiele sind:
- Upselling von weiteren Produkten, etwa bei der Kombination von PV und Speicher als Anlaufpunkt für Kunden, die zusätzlich eine Wallbox anschaffen möchten.
- Nutzung der Energiedaten, was im Zuge der weiteren Dezentralisierung des Energiesystems an Bedeutung gewinnt. Etwa im Kontext von Communities, P2P Trading, VPP, der Vermarktung von Regelleistung oder V2G.
Leistungen eines Energiemanagementsystems (EMS) EMS sorgen für eine intelligente, dezentrale Vernetzung von Energiesystemen – meist in Einfamilienhäusern als „Herz“ der Anlageninfrastruktur. Ein EMS …
Je größer und flexibler dabei die einzelnen Lasten sind, desto größer ist das Einsparpotenzial – etwa, wenn man das E-Auto direkt mit Sonnenstrom lädt, der zeitgleich über die PV-Anlage auf dem Garagendach erzeugt wird. |
Prosumer als Kunden gewinnen
Beim Aufbau dieser EMS-basierten Kundenbeziehungen und Geschäftsmodelle verfügen EVU über starke Argumente gegenüber neuen Marktakteuren. Bei der Strombelieferung bestehen in der Regel bereits Kontaktpunkte und Vertrauensverhältnisse, aber auch bei der Änderung des Strombezugs ist der (lokale) Versorger in der Regel der Anlaufpunkt für den Prosumer. In Ihrer Kundenkommunikation punkten EVU vor allem mit diesen Argumenten bei der Zielgruppe:
- Unabhängigkeit von schwankenden Energiepreisen und fossilen Energieträgern wird erhöht, bis 80% Autarkie sind möglich. (2)
- Monetäre und ökologische Vorteile aufgrund der intelligenten Systemsteuerung.
- One-stop-shop: der Kunde erhält ein auf seine Bedürfnisse abgestimmtes Energiesystem aus einer Hand.
- Hohes Servicelevel durch zusätzliche Dienstleistungen wie einen schnellen und fachlich versierten Vor-Ort-Service.
- „Neue Produkte“: Nachbarschaftsstrom, Strom mit Familienmitgliedern teilen, eigenen Strom unterwegs tanken.
Als EVU ins Prosumer-Geschäft einsteigen
EVU sollten hierbei keine Zeit verlieren – wer bis zur Ansprache der Zielgruppe zwei oder drei Jahre verstreichen lässt, wird einen deutlich stärker besetzten und aufgeteilten Markt vorfinden. First mover können aber bereits mit den geschilderten intelligenten Produkten einen Prosumer-Kundenstamm aufbauen und schon heute unternehmerische Vorteile realisieren. Zudem sollten EVU jetzt die Zeit nutzen, um eine stabile Marktpositionierung aufzubauen und die notwendigen Kompetenzen beim Umgang mit den Technologien und Betriebsprozessen der Systeme auf- bzw. ausbauen.
Um Leistungen wie den Aufbau EMS-basierter Anlagen nicht nur in der Nische, sondern auch im Massenmarkt anbieten zu können, müssen EVU sehr sorgfältig einen passenden EMS-Partner auswählen. Schließlich bestimmt diese Partnerschaft maßgeblich den Innovationsgrad, den das EVU in den kommenden Jahren leben kann.
Wie die Bilanz in Sachen Wirtschaftlichkeit und Klima dabei letztendlich ausfallen kann, lässt sich übrigens bei der Entwicklung eines Prosumer-Baukastens „modellieren“. Hier empfehlen wir, insbesondere auf eine schlüssige Konzeptionierung des Produktes Wert zu legen und ein Screening sowie eine Bewertung des Marktes von EMS-Anbietern vorzunehmen, um den richtigen Partner zu finden.
Quellenhinweise
(1) Bundesverband Solarwirtschaft e.V.: „Statistische Zahlen der deutschen Solarstrombranche (Speicher/Mobilität) “, 2022.
(2) Die Höhe des Autarkiegrads ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig (Hardwarekomponenten, Verbrauchszeitpunkt, Beschaffenheit des Hauses). Verschiedene Tests haben dies gezeigt.
Über K.LAB
K.LAB treibt seit 2016 Innovations- und Produktentwicklungen für einen Kreis von Partner-EVUs voran. Das Unternehmen ist eine Tochtergesellschaft der m3 management consulting. Weitere Informationen unter www.klab-innovation.de.