Wie Stadtwerke ihren Kundenservice in drei Schritten entlasten können
Letzten Herbst erlebten Verbraucher in Deutschland einen nie dagewesenen Anstieg der Energiepreise und zeitgleich eine Inflationsspirale, wie sie seit Jahrzehnten nicht vorgekommen war. Dies führte auch bei Energieversorgern und Stadtwerken zu einer hochkritischen Lage, war doch mit Zahlungsausfällen und hohem Beratungsaufwand für den Kundenservice zu rechnen. Allein die Welle an Anrufen und E-Mails von Kunden sowie deren Bearbeitung drohte die Handlungsfähigkeit zu sprengen.
Viele Stadtwerke initiierten erste Maßnahmen, um das enorme Kontaktaufkommen zu bewältigen. Digitale Sprach- und Chatbots halfen, Anfragen zu kanalisieren und Self-Service Funktionen wie die Erfassung von Zählerständen und Zahlungsdaten, die Anpassung von Abschlägen, etc. automatisiert abzuarbeiten. Damit sollte die Welle der Anfragen abgemildert und das Servicepersonal entlastet werden. Doch vieles war mit heißer Nadel gestrickt, noch nicht durchgängig miteinander vernetzt und integriert.
Auch wenn sich die Lage in diesem Winter bisher nicht so dramatisch entwickelt hat wie befürchtet und die „Welle“ aufgrund zahlreicher Dämpfungsmaßnahmen niedriger ausfiel, sind viele Serviceteams trotzdem an ihre Kapazitätsgrenze geraten und haben substanzielle Rückstände angehäuft.
Digitalisierung erfolgskritisch zur Bewältigung des Arbeitsaufkommens
Stadtwerke haben die letzten Monate genutzt, um sich für kommende Krisensituationen zu wappnen. Umgesetzte Maßnahmen wurden ggf. nachjustiert. Es hat sich gezeigt, dass die konsequente Digitalisierung und Vernetzung der Standardprozesse im Kundenmanagement heute unverzichtbar ist für eine effiziente Bewältigung eines hohen Kontaktaufkommens.
Daneben ist ein sorgfältig orchestriertes Zusammenspiel von Maßnahmen aus Vorbereitung, der eigentlichen Bewältigung des Kontaktaufkommens und der Nachbereitung der daraus resultierenden Fälle erforderlich. Damit der Kundenservice von Stadtwerken auch in zukünftigen Krisensituationen handlungsfähig bleibt, hat die m3 management consulting ihre „Wellenbrecher“-Strategie erarbeitet, die sich in drei Schritte gliedern lässt.
Schritt 1 - Analyse des Kundenportfolios und proaktive Ansprache
Im Vorfeld sollte eine fundierte Analyse des Kundenportfolios basierend auf den vorliegenden Verbrauchs- und Zahlungsdaten erstellt werden, um die Kunden anhand verschiedener Attribute clustern zu können. Teil der Zielgruppenanalyse sollte dabei auch die Strukturierung der Kunden nach Verbrauch und Risiko von Zahlungsausfällen sein.
Mit dieser Einteilung in Cluster kann eine proaktive Ansprache der Kunden erfolgen. So können Kundengruppen entsprechend ihrer Situation passende Lösungsangebote gemacht werden, bevor sie überhaupt von sich aus mit dem Kundenservice in Kontakt treten. Abschläge können angepasst, Energiesparoptionen, Tarifwechsel und weitere Kostendämpfungsmodelle aufgezeigt werden. So lassen sich Kundencluster bereits im Vorfeld proaktiv bedienen, beispielsweise durch Mailings. Ein Massenmailing an 5.000 geclusterte Kunden bedeutet minimalen Aufwand und erspart meist den Anruf eines Großteils dieser Kunden im Servicecenter, was ungleich mehr Zeit kosten würde. Der Andrang in einer akuten Krise, z.B. bei Zusendung der Jahresverbrauchsabrechnung und der Anpassung der monatlichen Abschläge oder bei Fragen zur Versorgungssicherheit, kann entzerrt werden.
Schritt 2 – Kontaktaufkommen möglichst effizient und automatisiert bearbeiten
Um die Welle der Anfragen zu bewältigen, ist hohe Effizienz in der Bearbeitung erfolgsentscheidend. Hier können Chatbots als digitale Assistenten direkt mit den Kunden interagieren, Anfragen kanalisieren und viele Standardaufgaben übernehmen. Dabei ist aber wichtig, dass die Prozesse vollständig digitalisiert sind, d.h. dass die Chatbot-Lösung Kundendaten selbständig in die Backend-Systeme überträgt und keine manuelle Nacharbeit nötig macht. Auch proaktive Informationsvideos, Webinare und Q&As können viele Kundenanfragen bereits im Vorfeld beantworten. Verbraucher, die mit Ihrer Anfrage schließlich im Kundenservice landen, werden automatisiert an spezialisierte Teams weitergeleitet, um eine zeitnahe individuelle Bearbeitung sicherzustellen.
Schritt 3 - Individuelle Betreuung der Härtefälle
Für die wirklichen Härtefälle, also jene Kunden, die durch die hohen Gebühren und Preisanstiege tatsächlich in finanzielle Not geraten, müssen – auch in Zusammenarbeit mit sozialen Trägern und Härtefonds – individuelle Lösungen für ihre Zahlungsprobleme gefunden werden. Dies ist zeitaufwändig und bedarf auch speziell geschulten Personals. Aber auch hier können bereits proaktiv durch Informationsmailings die Möglichkeiten aufgezeigt werden, beispielsweise eine Hilfe durch Härtefonds. So kann das Beratungsaufkommen teilweise an die Fonds umgeleitet werden.
Auch wenn die aktuelle Welle schwächer ausgefallen ist, als befürchtet, hat sie zu klaren Learnings beigetragen. So sind die Prozesse im Kundenservice kritisch auf Prozessbrüche zu prüfen und eine durchgängige Digitalisierung sicherzustellen. Man sollte alert bleiben, um rechtzeitig auf neue Wellen reagieren zu können. Die Zeit vermeintlicher Ruhe sollte man nutzen, um das Schiff gegen weitere Wellen seefest zu machen.